Alles Schlechte ist gut für dich …

… so lautet die Übersetzung des Originaltitels von Steven Johnsons neuem Buch, der sich mit „Interface Culture“ als kenntnisreicher Autor empfahl. Der amerikanische Kulturwissenschaftler erklärt nun, Fernsehen und Computerspiele wirken längst nicht so verblödend und unsozial, wie es oft behauptet wird.

Er untersucht ältere und jüngere Fernsehsendungen und stellt fest, dass „Emergency Room“, „Seinfeld“ oder „Die Sopranos“ dem Publikum geistige Höchstleistungen abverlangen – viele Handlungsfäden sind parallel zu verfolgen, miteinander in Beziehung zu setzen und weitverzweigte Verweissysteme zu erschließen. Reality-TV schult soziale Kompetenzen, da es offensiv dazu auffordert, sich mit den Situationen emotional und lösungsorientiert auseinanderzusetzen. „Sogar der Mist ist besser geworden“ – mit diesem Fazit rehabilitiert er als vergleichender Beobachter das gescholtene Fernsehprogramm.

Bei den Computerspielen betrachtet er die erfolgreichen Genres – und kann daher die berüchtigten „Killerspiele“ außen vor lassen. Was Johnson von anderen Autoren unterscheidet, ist sein Verständnis von Computerspielen und Online-Welt. Er vermag es, auch Nicht-Spielern die Faszination der Spielwelten zu vermitteln und die Lösungsstrategien zu analysieren. Genauso wie Bücher vermögen es Computerspiele, die Nutzer in ihre Welt zu ziehen sowie emotional und intellektuell zu fesseln – und zu fördern. Dies ist kein Buch gegen das Lesen, sondern die Aufforderung, scheinbar „niedere Kulturgüter“ erst zu prüfen, bevor man sie verdammt.

Eine anregende, faktenreiche, unterhaltsame und fast ketzerische Lesefreude.

Peter Schoh („bus“, Herbst 2006, Seite 29)

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