Schwule Filme, die „trotzdem“ begeistern

Die hier aufgeführten Filme sind einfach großartig; die Reihenfolge ihrer Präsentation gibt allerdings keinen Aufschluss auf eine eventuelle Rangfolge.

Einen kleinen Überblick über die Problematik von Schwulen im Film liefert der Artikel „Von Austern und Schnecken“. Ganz nebenbei möchte ich noch die Serien „Queer as Folk“ und „Drawn Together“ empfehlen. Erstere ist für eine Randgruppenserie erstaundlich aufwendig und für den Aufwand überraschend direkt und freizügig inszeniert und liefert einen aufschlussreichen Einblick in die Aspekte schwulen Lebens in den USA. Zweite ist eine Zeichentrickserie, in der unter anderem ein schwuler Zeichentrickcharakter mit anderen in einem Haus à la „Big Brother“ leben muss – sehr böse und alles andere als politisch korrekt.

Sollte ich einmal ins Kitschige abdriften, liegt das an den Filmen, die so wunderbar sind, dass es schwerfällt, nicht sentimental zu werden … nur Zyniker sprechen dann von Kitsch.

Another Gay Movie (IMDB)

Vier Jungs wollen nach dem Schulabschluss endlich ihre Jungfräulichkeit verlieren und durchwaten den Sumpf der sexuellen Katastrophen, angefeuert von der resoluten und lauten Schullesbe. In diesem Film geht es nicht ums Coming-Out und nicht um Sinnkrisen, sondern nur darum, wie es die vier endlich schaffen, Sex zu erleben. Eine Welt zwischen 50er-Jahre Kitsch und Futurismus, in der Homosexualität das normalste von der Welt ist, Eltern und Lehrer ebenso schwul sind wie Sanitäter und andere Personen. Nach seinem Debüt „Edge of Seventeen“ schafft der Regisseur hier eine bonbonbunte, derbe und lustige Version von „schwulem Utopia“. Es geht weder um Tiefgründiges noch um ausgereifte Charaktere, sondern à la „American Pie“ um den Spaß am Jungsein. Übrigens ist der Film bis in die Nebenrollen mit schwulen Darstellern besetzt, die von schnuckelig über schrill bis oje das gesamte Spektrum gut abdecken.

In Kürze: Schrill, derb, komisch.

C.R.A.Z.Y. (IMDB)

Ein Zeitbild der Sechziger, Siebziger und frühen Achtziger aus Kanada. Die Familiengeschichte von fünf Söhnen, erzählt anhand des vierten, der „etwas besonderes ist“, wie die Mutter oft und gern betont. Am Weihnachtstage geboren, kann er bald mit der Religion nichts mehr anfangen, mit seiner Cousine schon eher – oder sehnt er sich nur nach ihr, weil ihr Freund ihm mehr als nur sympathisch ist? Eingebettet in die zahllosen kleinen Geschichten der Familie erzählt der Film von der Suche des jungen Mannes nach sich selbst. Auch sein Vater und seine Brüder kommen mit ihren Erwartungen an sich selbst nicht so leicht zurecht, wie sie es gern würden. Unprätentiös und präzise beobachtet mit zahlreichen filmischen Einfällen wird der Zuschauer Teil dieser Familie.

In Kürze: Ein Film zum Lachen, Weinen, Kuscheln und in Musik schwelgen.

Echte Kerle (IMDB)

Der bisher beste Beitrag deutscher Herkunft zum Thema, was die gelungende Mischung aus Unterhaltung und Botschaft betrifft. „Echte Kerle“ macht einfach Spaß, weil er erstens seine Helden und ihre Sorgen ernst nimmt, zweitens sich selber (vor allem die Idee, dass es „echte Kerle“ gibt) nicht ernst nimmt und drittens eine amüsante Geschichte erzählt, die das Problem der Identitätsfindung und Identitätsbestimmung so unterhaltsam behandelt, wie man es selten sieht. Der einzige Film in der Liste, den auch Homophobe „ertragen“. :-)

In Kürze: Fröhlich, lebendig, witzig.

Sommersturm (IMDB)

Wenn ahnungslose bayrische Kleinstädter plötzlich mit einer schwulen Berliner Gruppe konfrontiert werden, bringt das nicht nur die Emotionen durcheinander, sonder lässt wirkt auch wie ein Katalysator auf bestehende (innere und äußere) Konflikte, die plötzlich ausbrechen. Einfühlsam und ohne Zeigefinger oder falsche Romantik zeichnet Sommersturm die Entdeckung seiner selbst, seiner Identität nach. die sensible Ernsthaftigkeit, gepaart mit einem wundervollen Soundtrack, zieht einen nicht nur in die (Coming-of-Age-)Geschichte, sondern weckt auch die Sehnsucht nach dem Sommer.

In Kürze: Melancholisch, heiter, mitreißend.

Coming Out (IMDB)

Der defa-Beitrag zum schwulen Kino zeichnet einerseits ein treffendes Bild der Gesellschaft und wie es möglich ist, darin zu (über-)leben und sympathisiert andererseits mit seinen Protagonisten, deren Identitätsfindung das wesentliche Thema ist. Selbstverständlich gehört zur Identität auch die Akzeptanz, und die fällt es den „Betroffenen“ schwer, außerhalb „ihrer Kreise“ zu finden. Der Film beginnt mit einem Selbstmordversuch, „weil ich scwul bin“; während Matthias dann rasch für sich ein selbstbestimmtes Leben mit Glücksanspruch wählt, ringt Philipp mit sich und wählt erfolglos die Heimlichkeit.

In Kürze: eindringlich, intensiv, präzise in seiner Schilderung, unprätentiös in seiner Darstellung.

The Object of my Affection / Liebe in jeder Beziehung (IMDB)

Die zauberhafte Jennifer Anston hat einen schnuckligen Mitbewohner, der schwul ist, was sie nicht davon abhält, sich in ihn zu verlieben … letztendlich könnten eigentlich alle nur unglücklich werden. Werden sie aber nicht, denn der Film zeichnet mit leichter Hand nach, wie Menschen zueinander finden, Vertrauen aufbauen und versuchen, glücklich zu werden. Denn das ist es doch, was alle wollen: glücklich sein. Und – ich verrate wohl nicht zuviel – es am Ende auch werden.

In Kürze: ein wunderbarer, herzrührender Wohlfühlfilm.

Trick (IMDB)

Ein Film über eine Nacht. Ein junger Broadwaymusicalautor sucht nur einen One-Night-Stand, aber es geht so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Das ist meist amüsant, mitunter tragisch, aber es bringt zwei Menschen zusammen, die anfangs unterschiedlicher kaum sein könnten, aber dennoch nur das eine suchen: Liebe, für die Sex nur ein billiger Ersatz ist. Achja, und Tori Spelling als Parodie auf sich selbst ist einfach anbetungswürdig.

In Kürze: zum Knuddeln und Liebhaben.

The Broken Hearts Club. A Romantic Comedy (IMDB)

Eine Clique von schwulen Männern und ihre Probleme. Dennis stellt fest, dass es mehr gibt, als nur Sex, Benji fährt auf Fitnesstypen und Drogen ab, Howie liebt seinen Exfreund, Taylor wird von seinem Freund rausgeworfen, Patrick fühlt sich zu hässlich und soll für seine lesbische Schwester eine Samenspende liefern – achja, und eigentlich wollen sie alle Cole sein, der Heterotyp, der eigentlich Schauspieler ist. Dazu kommt noch Kevin, der sich noch nicht geoutet hat. Alles in allem ein bunter Reigen von verschiedenen Lebensentwürfen und -problemen, der sowohl die Vielfalt der Möglichkeiten vorstellt, als auch unterhält. Fast scheint es, als wäre der Film zu vollgepackt mit all seinen Figuren, aber diese fügen sich zu einem harmonischen Ganzen.

In Kürze: fröhlich, vielfältig, kurzweilig.

Brokeback Mountain (IMDB)

Ein spröder Film, über zwei Cowboys, die sich ineinander verlieben, der ohne viele Worte auskommt und – so ganz nebenbei – ein Sittengemälde der USA zeichnet. „Doch sie konnten zusammen nicht kommen, das Wassser war viel zu tief.“ Es braucht Mut, in der dargestellten Gesellschaft erstens sich selbst einzugestehen, dass man Männer mag, und zweitens Einfallsreichtum, dies auszuleben. Dies gelingt den beiden Protagonisten unterschiedlich gut. Der eine bezahlt bitter dafür, der andere leider nicht weniger – ist jedoch leider nicht in der Lage, sich aus seiner Situation zu erheben.

In Kürze: gediegen, einfühlsam, angenehm spröde.

My Own Private Idaho (IMDB)

Ein rebellischer Film, der im Strichermilieu spielt. Lebensmut und -freude dominieren, auch wenn die Figuren ständig Rückschläge hinnehmen müssen. Zahlreiche Kniffe brechen die Erwartungen der Zuschauer, so sprechen die Stricher in Shakespeare-Versen, explizite Sexszenen sind als bewegte Standbilder inszeniert und immer wieder werden die Hoffnungen der Hauptfigur enttäuscht, was den Film zu einem melancholischen Meisterwerk macht. Ein Film über das Scheitern, über unerfüllte Sehnsüchte, menschliche Enttäuschungen und trotzdem auch ein Film, der das Leben feiert.

In Kürze: melancholisch, lebensfroh, konzentriert verspielt.

Shortbus (IMDB)

Das Auffälligste sind möglicherweise die zahlreichen Geschlechtsteile, die der Zuschauer während des Films sieht, doch ist der Blick des Filmes nie pornografisch – was für sich betrachtet schon eine Meisterleistung ist. Dieser Ensemblefilm erzählt die Geschichte zahlreicher Personen, die mit ihrer Sexualität und damit auch mit sich selbst Probleme haben oder unzufrieden sind. Sie alle begegnen sich im Club „Shortbus“, was vielleicht nicht ihre Probleme löst, aber letztendlich erhalten sie dort wichtige Impulse dafür, mit sich selbst klarzukommen. Nicht schwule oder andere Lebensentwürfe sind hier das Problem, sondern bilden nur die Fassade, auf der sich die tieferliegenden Probleme abbilden. Wäre eine der Hauptfiguren ein wenig weniger weinerlich, könnte dies ein Film sein, aus dem man mit einem richtig guten Gefühl kommt, so bleibt ein leicht irritierter Nachgeschmack.

In Kürze: enthüllend, offenherzig, heiter.

Hedwig and the Angry Inch (IMDB)

Der schrägste Film, der mir bisher untergekommen ist. Das Musical erzählt die Geschichte eines DDR-Jungen, der sich in einen amerikanischen GI verliebt, für eine ordnungsgemäße Hochzeit eine (verpfuschte) Operation in Kauf nimmt (daher der „angry inch“), in die USA reist, dort von dem GI verlassen wird, sich in einen jungen Musiker verliebt, mit dem er/sie viele Songs schreibt, von dem Musiker verlassen wird, der mit den gemeinsamen Songs ein großer Star wird. Großartige Songs durch alle Musikrichtungen, die Plato-Idee von den Kugelmenschen sowie die zahlreichen Kostüme und visuellen Ideen machen diesen Film zu einem Meisterwerk der Schrägigkeit.

In Kürze: abgefahren, außergewöhnlich, mitsingen!